Künstliches Hüftgelenk
Die Entwicklung der Hüftendoprothetik
Innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich die Hüftgelenkersatzchirurgie stetig weiterentwickelt. Heute zählt der Eingriff zu den 20 häufigsten in Deutschland durchgeführten Operationen mit mehr als 200.000 Primäreingriffen.
Von Anfang an waren Instrumente notwendig um die Implantate mit ihren jeweiligen Formgebungen zu implantieren. Heute können viele Implantate mit einem Instrumentarium eingesetzt werden. Die große Prothesenvielfalt gibt dem Operateur die Möglichkeit sich den anatomischen Voraussetzungen adäquat anzupassen und Sie als Patient bestmöglich zu versorgen.
Für die operative Versorgung des Hüftgelenks mit einer Hüftprothese stehen eine Vielzahl von Implantaten zur Verfügung. Ziel ist die weitgehende Rekonstruktion der ursprünglichen Bewegungsabläufe. In der Regel besteht eine Hüftprothese aus folgenden vier Komponenten: Hüftschaft, Hüftkopf, Hüftpfanne und einem Inlay. Die folgende Abbildung stellt ein künstliches Hüftgelenk schematisch dar.
Nachfolgend werden die einzelnen Komponenten einer Hüftprothese im Detail vorgestellt.
Hüftschaft
In erster Linie unterscheidet man die Hüftschäfte nach ihrer Versorgungsart. In Abhängigkeit von der Knochenqualität des Patienten findet eine zementfreie oder eine zementierte Versorgung des Hüftschaftes statt. Patienten mit osteoporotischen Knochen werden in der Regel zementiert versorgt.
Aktuell wird in Deutschland die Mehrheit der Patienten mit zementfreien Hüftschäften versorgt.
Das operative Vorgehen bei Verwendung eines zementierten Hüftschaftes ist mit dem des zementfreien Hüftschaftes in vielen Teilen vergleichbar. Während zementfreie Hüftschäfte direkt in das vorbereitete Implantatbett eingebracht werden können, wird bei einer zementierten Versorgung zunächst der Zement in das Implantatbett eingebracht und erst im Anschluss der Hüftschaft. Der Zement legt sich dabei wie ein Mantel um die Prothese und schafft eine feste Verbindung zwischen Implantat und Knochen. Somit ist auch bei Osteoporosepatienten eine sichere Fixierung des Hüftschaftes im Oberschenkelknochen sichergestellt.
Allerdings ist auch auf eine Sonderform der Versorgung hinzuweisen. Gerade bei Frakturvorkommnissen in Kombination mit einer Hüfpfanne, die noch keine Abnutzungserscheinungen aufweist, kommen sogenannte Bipolarköpfe zum Einsatz. Vorteil dieser Versorgungsform ist, dass die Hüftpfanne nicht durch eine künstliche Pfanne ersetzt werden muss. Das künstliche Hüftgelenk besteht demnach nur aus einem Hüftschaft und einem speziellen Hüftkopf (Bipolarkopf), der in der natürlichen Hüftpfanne gleitet. In der Mehrzahl der Fälle besteht eine künstliche Hüftprothese jedoch immer aus vier Komponenten (Hüftschaft, Hüftkopf, Inlay und Pfanne).
Ausschlaggebend für die Wahl des Hüftschaftes ist aber nicht nur die Knochenqualität des Patienten. Um verschiedene anatomische Strukturen des Oberschenkelknochens optimal versorgen zu können, stehen unterschiedliche Prothesenformen zur Verfügung. Unterschieden werden zwei Prothesenformen: Geradschäfte und Kurzschäfte.
Die Geradschäfte kennzeichnen sich im Wesentlichen durch eine längere Prothesengrundform aus, was hauptsächlich dem Verankerungsmechanismus innerhalb des Knochens zugute kommt. Standardschäfte weisen gute und langjährige klinische Ergebnisse vor und sind daher das am häufigsten verwendete Schaftimplantat. Unterschiedliche Varianten des Geradschaftes decken die Mehrzahl der auftretenden Oberschenkelknochenformen ab. Sie sind zementfrei und zementiert implantierbar.
Beispiel Bicontact® Hüftendoprothese
- Längere Prothesengrundform
- Langjährige klinische Ergebnisse
- Breites Indikationsspektrum
- Zementfreie und zementierte Versorgung
- Hohe Oberflächenrauhigkeit bei zementfreien Hüftschäften für guten Knochen-Implantateverbund
Innerhalb der letzten 15 Jahre ist ergänzend zu den Geradschäften eine weitere Versorgungsform dazugekommen: Der Kurzschaft. Im Gegensatz zum Geradschaft zeichnet sich der Kurzschaft durch ein kurzes und reduzierten Prothesendesign aus und schont damit wesentliche Knochenstrukturen. Auch die Art und Weise wie der Kurzschaft sich im Oberschenkelknochen verankert, unterscheidet sich vom Geradschaft. Da Kurzschäfte nur zementfrei implantiert werden können, ist eine gute Knochenqualität Voraussetzung für diese Prothesenvariante. Insbesondere jüngere Patienten werden bei geeigneter Indikationsstellung mit Kurzschäften versorgt, um einen maximalen Knochenerhalt für eine mögliche Revisionsoperation in späteren Jahren sicherzustellen.
Beispiel Metha® Kurzschaftprothese
- Knochenerhalt durch kürzere Prothesengrundform
- Anatomische Gelenkrekonstruktion
- Eingeschränkte Indikationsstellung
- Ausschließlich zementfreie Versorgungen
Hüftpfanne
In die ursprüngliche Hüftpfanne wird nach präziser Vorbereitung das Pfannenimplantat eingesetzt. Hierbei kann der Operateur auf unterschiedliche Modelle und Verankerungsvarianten zurückgreifen. Ebenso wie die Hüftschäfte, können auch die Hüftpfannen zementfrei oder zementiert implantiert werden.
Bei den zementfreien Hüftpfannen spricht man von den sogenannten Pressfit- Pfannen, die sich durch ein definiertes Übermaß in den knöchernen Strukturen des Beckens verklemmen. Um ein schnelles und sicheres Einwachsen in das Becken zu gewährleisten, verfügen die zementfreien Hüftpfannen über eine raue Oberflächenbeschichtung. Pressfit-Pfannen sind der am häufigsten verwendete Hüftpfannentyp.
Ebenfalls zum Typ der zementfreien Hüftpfannen gehören Schraubpfannen, deren Gewindegänge sich in das Becken einschrauben. Schraubpfannen kommen aber nur noch selten zur Anwendung, da sie verglichen zu den Pressfit-Pfannen einen größeren Knochendefekt verursachen.
Bei allen zementfrei verankernden Implantatvarianten wird zusätzlich eine Innenschale – das sogenannte Inlay – in die metallene Außenschale eingelegt.
Als Beispiel für ein modernes Pressfitpfannensystem ist die Plasmafit zu nennen. Die unterschiedlichen Pfannentypen, Implantatgrößen und Inlayvarianten der Plasmafit ermöglichen eine patientenindividuelle Versorgung und damit einen optimalen Hüftpfannenersatz.
Beispiel Pressfit-Pfanne: Plasmafit®
- Breites Indikationsspektrum
- Hohe Oberflächenrauhigkeit für guten Knochen-Implantateverbund
- Optionale Verriegungslöcher
Die zementierten Hüftpfannen, bestehend aus Polyethylen, verankern sich in Kombination mit Knochenzement im Becken. Insbesondere Patienten mit osteoporotischem Knochen werden damit versorgt.
Gleitpaarung
Die Gleitpaarung schafft eine Verbindung zwischen Hüftpfanne und Hüftschaft. In der Gleitpaarung findet die Bewegung des künstlichen Hüftgelenks statt.
Bei Verwendung einer zementfreien Hüftpfanne besteht die Gleitpaarung aus zwei Komponenten: Dem Hüftkopf und dem Pfanneninlay. Das Inlay ist eine zusätzliche Innenschale, die in die Pfanne eingesetzt wird.
Kommt eine zementierte Hüftpfanne zum Einsatz, sitzt der Hüftkopf direkt im Pfannenimplantat und die Gleitpaarung besteht demnach nur aus einer Komponente. Auf ein Inlay kann in diesem Fall verzichtet werden.
In der Gleitpaarung kommen verschiedene Materialien zum Einsatz. Hüftkopfe bestehen entweder aus Keramik oder Metall, Inlays entweder aus Keramik oder Polyethylen. Daraus ergeben sich folgende Materialkombinationsmöglichkeiten in der Gleitpaarung:
Wie bei jeder Übereinanderlegung und Beanspruchung zweier Komponenten unterliegt auch die Gleitpaarung in der Endoprothetik dem Abrieb. Durch die Verwendung von unterschiedlichen Materialien kann der Abrieb in seinem Ausmaß reduziert werden und somit zu einer verlängerten Standzeit der Prothese beitragen.
Keramik-Keramik Gleitpaarung
Die Keramik-Keramik Gleitpaarung weißt den geringsten Abrieb auf und verfügt darüber hinaus über das größte Maß an Biokompatibilität. Allerdings kann es in seltenen Fällen wie bspw. aufgrund eines Sturzes zu einem Bruch der Keramik kommen.
Polyethylen-Keramik Gleitpaarung oder Polyethylen-Metall Gleitpaarung
Das Polyethylen ist das am häufigsten eingesetzte Inlay und verfügt über einen weitreichenden Erfahrungsschatz. In den vergangenen Jahren sind die Materialeigenschaften des Polyethylens stetig weiterentwickelt worden, sodass sich in der Praxis mit den hochvernetzten Polyethylen mit Vitamin E-Zusatz (Vitelene) ein deutlich reduzierter Abrieb darstellt. Die am häufigsten verwendete Gleitpaarung in Deutschland ist ein Keramik-Kopf in Verbindung mit einem Polyethylen-Inlay.
Standzeiten
Die Standzeit einer Gelenkendoprothese ist trotz hochentwickelten Implantaten und hochwertigen Materialien nicht für die Ewigkeit ausgelegt. Innerhalb der Tragzeit kann es zur Lockerung einer oder mehrerer Komponenten kommen.
Der wesentliche beeinflussende Faktor stellt dabei der Abrieb der Gleitfläche bei den Bewegungsabläufen dar. Die Abriebpartikel legen sich als so genannte Fresszellen zwischen die Metall – und Knochenschicht und führen über die Jahre zum Abbau des Knochens (=Osteolyse) und damit zur Lockerung.
Eine generelle Aussage über die Standzeiten kann nicht getroffen werden. Aus den Erfahrungen lassen sich aber Zeiträume von +/-15 Jahren nennen [1].
Die gelockerte(n) Implantatkomponente(n) werden bei einer Wechseloperation ersetzt. Hier stehen den Operateuren vielfältige Implantate zur Verfügung, um eine patientenindividuelle Rekonstruktion zu erzielen.
OrthoPilot® ist ein Navigationssystem für Knie- und Hüftprothesen, das bei der exakten Implantation hilft. Im Gegensatz zu einem Operationsroboter ist der OrthoPilot® ein reines Navigationssystem, ähnlich dem in einem Auto. Der Operateur führt die gesamte Operation eigenständig aus, wird aber durch den OrthoPilot® unterstützt. Das Navigationssystem gibt Hinweise in Bezug auf den Bewegungsumfang des Gelenks und unterstützt den Operateur bei der korrekten Ausrichtung der Hüftpfanne und des -schaftes.
Die Navigation orthopädischer Eingriffe ist eine ausgereifte Technologie. Das OrthoPilot® Navigationssystem ist seit 1997 für die Knieendoprothetik und seit 2000 für die Hüftendoprothetik im klinischen Einsatz und wurde bereits erfolgreich bei über 200.000 Operationen eingesetzt.
Die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks in geeigneter anatomischer Lage garantiert eine lange Lebensdauer des Implantats und eine große Beweglichkeit des Beines. Andernfalls kann es zu einem verstärkten Abrieb und Abnutzung des Implantats kommen, sowie einer Einschränkung des Bewegungsumfangs des Gelenks, wodurch sich auch das Risiko eines Auskugelns erhöht. Genau hier unterstützt der OrthoPilot® mit seinem Navigationssystem.
Der OrthoPilot® zählt zu den kinematischen Navigationsverfahren und bildet zusammen mit Computer inklusive installierter Software, Bildschirm, Kamera und Sendern eine Einheit. Zur Vermessung der anatomischen Ausgangssituation wird ein Sender am Becken und ein weiterer am Oberschenkelknochen angebracht. An den Instrumenten werden weitere Sender platziert. Beim Ausssenden der Infrarotstrahlen durch die Kamera und dem Reflektieren der Sender wird die räumliche Position der Instrumente und Implantate ermittelt. Die in der Software hinterlegten mathematischen Allgorithmen errechnen daraus ein Bild und die nun folgenden operativen Schritte. Der OrthoPilot® ist damit fest in den operativen Vorgang integriert.
Der OrthoPilot® kommt im Gegensatz zu vielen anderen Navigationssystem ganz ohne zusätzliche Voruntersuchung des Patienten aus. Zusätzliche Strahlenbelastungen durch Röntgenbilder oder CT-Aufnahmen werden mit dem OrthoPilot® nicht benötigt. Das verwendete Infrarotlicht ist nicht gesundheitsschädlich.
Herstellung einer Prothese
Als größter deutscher Hersteller von orthopädischen Implantaten baut Aesculap fest auf die enge Zusammenarbeit mit den Ärzten und Kliniken und beschäftigt sich konsequent mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung des hohen Standards, um so die Patientensicherheit stetig zu verbessern.
Am Produktionsstandort Tuttlingen befindet sich eine der modernsten Gelenkimplantatefertigungen Europas, in der die Komponenten für den künstlichen Hüft- und Kniegelenkersatz, Wirbelsäulenimplantate, Platten sowie Nägel für Knochenfrakturen gefertigt werden. Die Fertigung am Standort Tuttlingen verfügt über ein eigenes, hochmodernes biomechanisches Labor, in dem die Implantate unterschiedlichsten Belastungstests – weit über den gesetzlichen Standard hinaus – unterzogen werden.