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Smarte Wartung
Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei, das Gesundheitswesen zu verändern. Die Fachwelt rechnet mit enormen Zuwächsen an Effizienz und Geschwindigkeit. B. Braun ist ein Teil dieser Entwicklung – und setzt KI in konkreten Initiativen bereits erfolgreich ein.
Wenn Claudia Esteban Patón, Wartungsingenieurin, 25 Jahre alt, im Technikraum des Dialysezentrums Vila-real, nördlich der spanischen Stadt Valencia, ihren Laptop aufklappt, tut sie dies sorgfältig. Auf dem Rechner befindet sich das von B. Braun entwickelte KI-Wartungsprogramm „Service Assistant". Das Programm zeigt alle Dialysegeräte des Zentrums an. Auf einen Blick sieht Esteban Patón, dass die Geräte einwandfrei funktionieren – bis auf eines. Die Software meldet: „kritischer Status“. Das Gerät war bereits zuvor vom Personal des Dialysezentrums aus dem Betrieb genommen worden. Mit einem Mausklick erfährt Esteban Patón die wahrscheinliche Problemursache: Zu 90 Prozent liegt das Problem in der Membran der Bilanzkammer, einer Kernkomponente des Dialysegeräts.
Das Programm zeigt Esteban Patón die Schritte an, die sie für die Reparatur durchführen soll. In ein Chat-Fenster tippt sie: „Wie lautet die Artikelnummer der Membran?“ Sofort erscheint auf dem Bildschirm die gewünschte Information. Claudia Esteban Patón sieht, dass sie das nötige Ersatzteil zur Verfügung hat, lächelt zufrieden und sagt: „Der ‚Service Assistant‘ unterstützt mich in meiner täglichen Arbeit und ermöglicht es mir, mich auf die wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren.“
Kaum ein Thema treibt die Gesundheitsbranche derzeit so um wie die Nutzung Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI ist es beispielsweise möglich, Krankheiten früher zu erkennen, besser zu verstehen und personalisierte Medikamente zu entwickeln. Das McKinsey Global Institute geht davon aus, dass die Pharma- und Medizintechnikbranche dank KI eine zusätzliche Wertschöpfung von 60 bis 110 Milliarden Dollar pro Jahr generieren kann. [1]
B. Braun ist ein Teil dieser Entwicklung. „Uns geht es darum, konkrete Anwendungsfälle zu identifizieren, in denen Künstliche Intelligenz einen echten Mehrwert bringt und Effizienz und Qualität steigert“, sagt Dr. Michelle Heber. Sie ist Leiterin des AI Hubs, einem Team bei B. Braun, das als Sparringspartner für Mitarbeitende dient, die KI-Projekte vorantreiben. Wiebke Zimmermann, AI Consultant im AI Hub sagt: „Wir wollen das Fachwissen im Unternehmen mit dem Potenzial der Künstlichen Intelligenz verbinden.“
Der „Service Assistant“ ist ein besonders gutes Beispiel dafür, wie B. Braun das Thema KI angeht und umsetzt. Das Projekt begann im Herbst 2023, berichtet Dr. Philipp Leise, der die Entwicklung von der technischen Seite betreut. „Wir haben in einem multidisziplinären Team aus der Software-Entwicklung, KI-Entwicklung und Technischen Service gearbeitet.“ Joshua Kirsch, Data Scientist im AI Hub, ergänzt: „So hatten wir innerhalb weniger Wochen einen ersten Prototyp.“ Alexander Kammenhuber, Leiter des Technischen Service bei B. Braun, erklärt: „Ganz im Sinne des ‚Sharing Expertise' konnten wir im Projekt durch die Einbeziehung verschiedener Fachbereiche schnell Erfolge erzielen. Für den Technischen Service ist die Entwicklung des ‚Service Assistant' wegweisend. Die schnelle und agile Implementierung von neuen Technologien im Serviceprozess ermöglicht es, die hohe Effizienz unserer Services kontinuierlich weiterzuentwickeln."
Der „Service Assistant” besteht aus zwei Teilen. Zum einen analysiert das Programm mit Hilfe von KI die Sensordaten der Geräte. Dies resultiert in einer genauen Zustandsbestimmung der Komponenten. Zum anderen bietet das Programm einen Chatbot, der auf Basis eines Large Language Modells arbeitet, ähnlich wie ChatGPT. So versteht das Programm die Fragen, die die Wartungsingenieur*innen stellen. Die Antworten recherchiert es in den aktuellen Servicedokumenten und zeigt sie auf dem Bildschirm an.
„Natürlich kann ich die Artikelnummern der Ersatzteile oder die Reparaturschritte auch selbst nachschlagen“, sagt Claudia Esteban Patón. „Aber mit dem ‚Service Assistant‘ geht es viel schneller und es integriert sich ideal in meinen Arbeitsalltag.“ Sie zieht Kunststoffhandschuhe an, setzt eine Schutzbrille auf und beginnt mit dem Austausch der Komponente. Schnell baut Esteban Patón die fehlerhafte Membran aus. Sie hält sie gegen das Licht: Die Membran hat einen winzigen Riss, die Prognose der KI war korrekt. Esteban Patón sagt: „Ohne den ‚Service Assistant‘ hätte ich erst einmal eine ganze Reihe unterschiedlicher Problemursachen ausschließen müssen, ehe ich auf die defekte Membran gekommen wäre.“
Mit dem Start des „Service Assistant“ ist Projektleiter Dr. Philipp Leise zufrieden. „Jetzt geht es darum, den Funktionsumfang der Anwendung gemeinsam mit den Anwendern zu erweitern, sodass sie bestmöglich unterstützt werden.“ In Zukunft soll die Anwendung auch den Sprung zu „Predictive Maintenance“ ermöglichen: Die Bauteile werden kontinuierlich überwacht und basierend auf dem individuellen Nutzungsverhalten ausgetauscht. Auch der Aufbau eines „digitalen Zwillings“ der Dialysegeräte ist möglich. So bezeichnet man die digitale Spiegelung eines Geräts, die beispielsweise zur Kontrolle, Simulation oder Verbesserung genutzt werden kann.
Bei B. Braun gibt es derzeit eine Reihe von KI-Projekten in unterschiedlichen Reifegraden. So könnte KI etwa auch die optische Prüfung in der Fertigung von Ampullen, den sogenannten Mini-Plascos®, unterstützen. Bisher kontrollieren eigens dafür ausgebildete Mitarbeitende in manueller Arbeit die Mini-Plascos auf Beschädigungen oder minimale Verunreinigungen. Mittelfristig soll hier eine Maschine unterstützen, die dank KI ihre Fähigkeiten zur Identifikation defekter Ampullen immer weiter verfeinert.
Ein weiteres Einsatzgebiet von KI im Unternehmen ist die Übersetzung der Inhalte der Website in leichte Sprache. Dabei wird zunächst ein Set an Regeln definiert, etwa lange Sätze in kurze Sätze umzuformulieren oder für Fremdwörter deutsche Entsprechungen zu finden. Anschließend übernimmt die KI die Umwandlung der komplexen Texte in barrierefreie Sprache. Das Ergebnis ist auch aus medizinischer Sicht relevant, weil Patient*innen auch auf der Website von B. Braun zu ihrer Therapie recherchieren. Klare Informationen sorgen für ein besseres Verständnis der Therapie und fördern damit auch den Behandlungserfolg.
“Mithilfe von KI lassen sich die ohnehin schon avancierten Technologien und Verfahren weiter verbessern und teilweise sogar neu definieren, egal ob das in der Medikamentenentwicklung ist, in der Robotik und Prothetik, im Krankenhausalltag oder beim Bau und bei der Wartung medizinischer Geräte.”
„Die Gesundheitsbranche ist ein besonders lohnendes Feld für den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz“, sagt Elsa A. Kirchner, Professorin und Fachgebietsleiterin „Systeme der Medizintechnik“ an der Universität Duisburg-Essen. „Mithilfe von KI lassen sich die ohnehin schon avancierten Technologien und Verfahren weiter verbessern und teilweise sogar neu definieren, egal ob das in der Medikamentenentwicklung ist, in der Robotik und Prothetik, im Krankenhausalltag oder beim Bau und bei der Wartung medizinischer Geräte.“ Angesichts der hohen Summen, die unsere Volkswirtschaften in die Gesundheit investieren, könne die KI notwendige Effizienzgewinne erzielen. Sie könne es aber auch ermöglichen, den Patient*innen und den Leistungserbringer besser und individueller zu unterstützen. Kirchner setzt auf die europäische Industrie große Hoffnung: „In der Forschung sind wir Weltspitze. Bei der Anwendung stehen wir, trotz aller bereits erzielten Erfolge, noch am Anfang. Wir müssen hier schnell weiter vorankommen. So können wir in Europa demonstrieren, wie ein Einsatz von KI aussieht, der den Nutzen für den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“
Selbstverständlich ist das Thema Verantwortung auch für B. Braun zentral: „Bei allen unseren Projekten haben die Sicherheit und der Schutz der Daten oberste Priorität“, sagt Dr. Michelle Heber vom AI Hub. „Zudem muss immer klar sein, wie und woher die KI ihre Informationen gewinnt.“ Und noch etwas ist ihr wichtig: „Wir wollen die menschliche Arbeitskraft nicht ersetzen, sondern unterstützen.“
In Vila-real hat Claudia Esteban Patón die defekte Membran ausgetauscht und baut die Bilanzkammer wieder in das Dialysegerät ein: „Ich habe schon als Kind alles Mögliche auseinandergeschraubt und repariert, vom Kugelschreiber bis zum Radio.“ Ihr Lieblingswerkzeug ist ein Akkuschrauber mit flexiblem Aufsatz, der auch weit entfernte Schrauben erreicht. „Auch die KI ist für mich ein Werkzeug, nur eben ein besonders faszinierendes.“ Bei aller Bewunderung für die Leistungen der KI dürfe man sich aber nie auf sie allein verlassen, sagt Esteban Patón. „Ich muss selbst überprüfen, ob die Prognose der KI stimmt, ob sie sich mit dem deckt, was ich beobachte, was meiner Erfahrung entspricht.“
Als die Reparatur abgeschlossen ist, zeigt ihr der „Service Assistant“ noch die nötigen Tests an, um zu überprüfen, ob das Dialysegerät wieder voll funktionsfähig ist. Alles verläuft reibungslos. Claudia Esteban Patón sammelt ihr Werkzeug ein und klappt ihren Laptop zu. Sie sagt: „Die besten Ergebnisse erreicht man, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten.“
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